10 Jahre Jazztett Forum Graz

 

 

Axel Mayer : trumpet, flugelhorn

Reinhard Summerer : trombone

Georg Gratzer : alto-& sopranosax, flute

Klemens Pliem : tenor & soprano sax, flute

Thomas Rottleuthner : baritonsax, bassclarinet

Dragan Tabakovic : guitar

Thorsten Zimmermann : bass

Dusan Novakov : drums, percussion

Berndt Luef : vibraphon, percussion

 

Das Jazztett Forum Graz geht in der Saison 2004 in sein 10tes Spieljahr und wird beim Konzert am 30. März Auszüge aus dem reichhaltigen Programm spielen, das die Musiker in diesen Jahren erarbeitet haben. Darunter ist auch eine überarbeitete Fassung der Komposition "Die Bosnische Tragödie", deren Uraufführung im Dezember 1993 im WIST die "Geburtsstunde" des Ensembles war.

 

Viele Kompositionen entstanden in den beiden Reihen "Work Station"(1996 – 1999) & "Deviationen" (2000 – 2002), die als längerfristige Projekte der Gruppe mit dem Forum Stadtpark Graz konzipiert waren. Das derzeitige Programm läuft unter dem Titel "Trialogue" und eine gleichnamige CD ist im November des vergangenen Jahres veröffentlicht worden.

 

Das Jazztett Forum Graz wurde Ende 1993 von Berndt Luef als in der Besetzung variables Ensemble gegründet, das eine eigene musikalische Identität nicht nur durch das Erarbeiten von speziellen Kompositionen und Improvisationen, sondern auch durch Diskussionen und Meinungsaustausch unter den Musikern entwickeln soll.

 

Das Projekt Jazztett Forum Graz ist eine Art musikalischer Gegenpol zu dem Trennungsprozess, der auch im Jazz in die Arbeit von Komponisten und Instrumentalisten Einzug gehalten hat. Die Musik der Gruppe soll eine Kommunikation gewährleisten, die durch die Bereitschaft und den Willen der Musiker entsteht, die unterschiedlichen Auffassungen und Vorstellungen zu gemeinsamen Hörbildern, zu einer gleichen Wellenlänge zu entwickeln. In der Musik des Jazztett Forum Graz soll mehr hörbar gemacht werden als interessante Klänge und technisch raffinierte Kabinettstücke. Sie soll zur Verständigung der Musiker untereinander als auch der Musiker mit dem Publikum beitragen. 

 

Berndt Luef wollte auch ganz bewusst mit einem großen Ensemble arbeiten, wohl wissend, wie schwer für solche Gruppen Konzerte, noch dazu mit einem eigenständigen Programm, zu organisieren sind. Bedingt durch die oft prekäre finanzielle Situation der Musiker und auch der Veranstalter gibt es im Jazz sehr viele Trios und Quartette auf der einen Seite und oft von Gemeinden unterstützte Bigbands, die aber meist ein sehr eingängiges Programm spielen.

 

Die Musik ist in der spätkapitalistischen Gesellschaft durch die technologische Entwicklung mehr denn je zu einer immer verfügbaren Ware geworden, die durch die Konzentration der Industrie und der Medien extrem kommerzialisiert worden ist. Die mächtigen Tonträgerfirmen mit ihrer Profitorientierung und die audiovisuellen Medien (aber auch die Rundfunkstationen) mit ihrer Quotenmentalität  überschwemmen das Publikum mit einer geballten Ladung an Berieselungs- und Zerstreuungsmusik, gepaart mit einem immer grotesker anmutenden Starkult. 

 

Für die Musiker des Jazztett Forum Graz bedeutet das, sich der Gefahr des Aufgesaugtwerdens immer bewusst zu sein und in ihrer Arbeit nicht den jeweilig vorherrschenden Mode - und Originalitätsmodellen nachzulaufen. Wir möchten Gegenkonzepte  leben und organisieren und zu aktuellen politischen Ereignissen Stellung beziehen. Daher auch unsere Auseinandersetzung mit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien ("Die Bosnische Tragödie"; "Tuzla, 25.05.1995"), der Aufarbeitung der österreichischen Geschichte während der Nazi Diktatur ("Epitaph") und der immer wieder aktuellen Problematik von Emigration und Migration ("The Refugees")

 

 

Die bosnische Tragödie

 

Oratorium in 5 Sätzen

Komposition: Berndt Luef (Sommer 1993)

Uraufführung: 02. 12. 1993, WIST (Graz)

Tonträger: "L 5 " (Extraplatte EX 275096 CD, März 1996)

 

1. Satz:            Prolog

2. Satz:            Sarajevo, Mostar, Gorazde

3. Satz:            Leben im Krieg, Krieg im Leben

4. Satz:            Verhandlungen, nie eingehaltene Waffenruhen

5. Satz:            Epilog in Blutrot

 

Wie viele meiner Freunde und Mitmusiker stehe ich den Ereignissen im ehemaligen Jugoslawien mit einer Mischung aus Entsetzen, Wut, Trauer und Ohnmacht gegenüber. Diese Betroffenheit habe ich im Sommer 1993 in der Art eines instrumentalen Oratoriums zu verarbeiten versucht. Ich möchte, wenigstens in dem mir zugänglichen Gesellschaftsbereich auf diesen Krieg reagieren und den sich verbreitenden gleichgültigen Zynismus nicht einfach hinnehmen.

 

In meiner Studienzeit habe ich mit vielen, damals jugoslawischen Studenten gespielt, nie gewusst, ob sie Slowenen, Serben, Kroaten, Mazedonier waren, da dies bedeutungslos war. Eine der entsetzlichen Folgen dieses Krieges ist der tiefe Hass, der zwischen den einzelnen "Volksgruppen" ausgebrochen ist. Die systematischen Greueltaten (Vergewaltigungen, KZ-Internierungen, Massenerschießungen, Vertreibungen, Hilfe-Verweigerungen) lassen eine friedliche Koexistenz oder gar eine Versöhnung unmöglich erscheinen. Alle Regierungen, ob Milosevic, Tudjman oder Izetbegovich haben nur durch und von diesem Krieg gelebt und letzten Endes weder ihre Armeen noch die vielen losen Milizverbände unter Kontrolle gehabt (bzw. weiß ich nicht, ob sie es überhaupt wollten) .Die Militärs aller drei Seiten haben den Krieg gezielt gegen die Zivilbevölkerung und die kulturelle Vielfalt einer offenen und freien Gesellschaft geführt . Ein besonders trauriges Kapitel dieses Krieges waren die vielen nutzlosen Verhandlungen, deren ausgemachte Waffenruhen meist nicht einmal einen Tag lang eingehalten wurden.

 

Wir im sogenannten "Westen" waren und sind fassungslos, sprachen von gefährdeten moralischen Werten, beruhigten unser Gewissen mit Spenden, wollten und wollen aber mit den logischen Folgen dieses Krieges für uns (Flüchtlingsströme, Wirtschaftschaos) genauso wenig konfrontiert werden, wie vor Jahren mit den absehbaren Folgen des Auseinanderbrechens des jugoslawischen Staates. Die Erkenntnis, dass es ein Krieg in Europa war und nicht - wie oft überheblich gesagt wurde - ein Balkankrieg, bleibt uns nicht erspart. Ich bin sehr froh, dass die Kriegshandlungen durch den Vertrag von Dayton eingestellt sind, aber ich habe doch auch die Befürchtung das treibsandähnliche Fundament dieses Friedens, aufgebaut auf der Kriegslage im Dezember 1995, könnte beim geringsten Anlass wieder zusammenbrechen.

 

Berndt Luef, März 1996

 

Discography:

"L5"                             Extraplatte EX 275

"Work - Stations"         Extraplatte EX 326

"Perception"                FoSta 99001

"Some steps of..."        FoSta 99003

"Deviation"                  Extraplatte EX 394

"Saida"                        FoSta 99004

"Epitaph"                     FoSta 99005

"Trialogue"                  Extraplatte EX 594

 

Kontakt:

Berndt Luef

St. Peter Hauptstraße 33 / V / 5

A - 8042 Graz

+ 43.316.425016

e-mail: luef@mur.at

 

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